Mein Ansatz
„Lead fearlessly, love hard“ (Linda Cliatt-Wayman)
Eine eigene Familie* zu haben, ist für viele die schönste Sache der Welt. Und gleichzeitig ist es eine der größten Herausforderungen, für die wir keine Generalprobe hatten.
Die meisten Eltern in Deutschland haben sich von der rein autoritären Erziehung, bei der es um Disziplin, Gehorsam und die Ausübung von Macht geht, abgewendet. Gegenbewegungen und damit der Wunsch nach einem partnerschaftlichen Verhältnis zum Kind haben in vielen Familien zu einer Überforderung der Kinder in Sachen Verantwortung geführt. Und die Eltern oft an den Rand der Erschöpfung gebracht, weil Kinder soziale Fähigkeiten wie Rücksichtnahme nicht ausreichend entwickeln konnten.
Viele Eltern möchten ihre Kinder anders erziehen, als sie erzogen wurden – und wissen nicht, wie sie zu ihrem eigenen Stil finden sollen, der mit ihren Werten übereinstimmt. In konflikthaften Situationen mit unseren Kindern sagen wir oft Dinge, die wir von den eigenen Eltern kennen und die wir niemals zu unseren Kindern sagen wollten. Vor allen Dingen in der Selbstbehauptungsphase (Trotzphase) und in der Pubertät kommen wir an unsere Grenzen.
Um zur besten eigenen Version von uns als Erziehungsperson zu finden, müssen wir uns verinnerlichte autoritäre Muster aus unserer Herkunftsfamilie bewusst machen. Dafür braucht es einen Raum, um durchzuatmen und einen liebevollen Blick auf uns selbst, unsere Kinder und auf unsere Familiensituation zu werfen.
Und das lohnt sich. Denn eine enge und vertrauensvolle Beziehung zu unseren Kindern ist wohl das Bereicherndste und Schönste auf der Welt.
Bild: Nina Neef
Jesper Juul: Integrität, Gleichwürdigkeit, Authentizität und Verantwortung
Die Haltung und die Werte von Jesper Juul bilden die Grundlage meiner Arbeit:
Verantwortung: Eine Familienbande braucht Führung, sonst gibt es Chaos und Machtkämpfe. Und Führung müssen die Menschen mit der meisten Erfahrung übernehmen – in der Familie sind das die Eltern. Kinder bringen viel Weisheit mit auf die Welt, aber wenig Erfahrung. Deshalb können sie die Verantwortung innerhalb der Familie nicht übernehmen.
Integrität: Wollen die „Anführer*innen“ ihren Job gut machen, achten sie empathisch darauf, wie es jedem einzelnen Familienmitglied geht und was jede*r braucht. Sie schützen ihre eigenen Grenzen und die der Kinder und wenden keine Machtinstrumente wie Bestrafung, Beschämung oder Manipulation an, um ihr Ziel zu erreichen.
Gleichwürdigkeit: Die Bedürfnisse und Grenzen aller zählen gleich viel und alle dürfen ihre Meinung äußern. Auf dieser Grundlage treffen die Anführer*innen die Entscheidungen. Manchmal ist dabei Zeit für lange Diskussionen, manchmal muss schnell entschieden werden, wenn es die Situation verlangt. Dabei können die Anführer*innen auch von ihren eigenen Bedürfnissen absehen und sind bereit, selbst etwas dazu zu lernen. Sie sind in der Lage, Unpopuläres durchzusetzen und Gegenwind auszuhalten. Denn sie entscheiden nicht willkürlich – sondern auf Grundlage von Werten, die für alle transparent sind.
Authentizität: Sie besitzen die Offenheit und Stärke, sich persönlich zu zeigen und authentisch zu handeln. Und die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen: Stimmt das Gesagte mit dem überein, was ich empfinde und ausdrücken will? Kommt es auch so bei meinem Gegenüber an? Warum denke, fühle und handle ich so? Und wie kann ich mich als Elternteil entwickeln, damit mein Handeln weniger impulsiv und mehr selbstbestimmt ist und mit meinen Werten übereinstimmt?
In der Familiebande gibt es enge Beziehungen, Schutzräume und ein großes gegenseitiges Vertrauen. Natürlich gibt es auch Streit und stressige Zeiten. Diese können auf Grundlage der vier Werte einfacher und gemeinsam bewältigt werden. Der Anführer*innen-Job klingt nach keinem leichten Job. Ist er auch nicht. Er ist der Antritt einer Reise, die sich lohnt. Und bei der jeder Schritt eine große Bereicherung ist.
Das Veto-Prinzip von Maike Plath
Eine tiefgreifende innere Entwicklung lässt sich nicht nur über den Verstand vollziehen. Mir sind in meiner Arbeit Praxisanteile sehr wichtig, um eine ganzheitliche Veränderung auf allen drei Ebenen (Verstand, Emotion, Körper) anzustoßen.
Das Veto-Prinzip ist die Basis meiner praktischen Arbeit. Maike Plath hat es während ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einer Neuköllner Hauptschule entwickelt. An einem Ort, an dem alle Jugendlichen sich geweigert haben, den Vorgaben des Schulbetriebs zu folgen, führte sie das Veto-Recht für alle Beteiligten ein – anstatt immer autoritärer gegen die Störungen vorzugehen.
Dieser Schritt bildete die Basis für eine gleichwürdige Begegnung. Bestehende Machtverhältnisse wurden reflektiert, in Frage gestellt und Schritt für Schritt ausgeglichen. Autoritäre Maßnahmen wurden ersetzt durch das Veto-Recht, die Entwicklung von demokratischen Arbeitsinstrumenten, eine gemeinsame Zielsetzung und stärkende und kooperationsfördernde Austausch- und Reflexionsformate.
Die beste Version meiner selbst finden
„Beim Theaterspiel geht es nicht darum, in eine bestimmte Rolle zu schlüpfen, sondern man muss diese Rolle in sich selbst finden – allerdings in einer sehr stark erweiterten Version von sich selbst.“ (Tina Packer)
Den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern durch praktisches Erproben und Spiel ist für mich das wirkmächtigste Mittel, um die beste Version meiner selbst zu werden. Es geht nicht darum, Szenen zu spielen, sondern in einem geschützten Raum Situationen aus dem familiären Leben nachzustellen und verschiedene (Re-)Aktionsweisen auszuprobieren. Für die Teilnehmer*innen sind keinerlei Vorkenntnisse nötig.
Jede*r kann an eigenen individuellen Themen arbeiten. Es geht darum, die Erfahrung zu machen, wie ich selbst authentisch und konstruktiv kommunizieren kann und wie sich das für mich und für mein Kind anfühlt. Dabei werden Fehler und Scheitern als Teil des Entwicklungsweges gesehen, Unterschiede als Bereicherung und die Gruppe als Kollektiv, um sich gegenseitig zu stärken.
* Es werden hier explizit alle Formen von Lebensgemeinschaften mit Kind angesprochen, die sich als Familie definieren: alleinerziehende Erziehungspersonen, hetero- oder homosexuelle, trans oder inter Erziehungspersonen, Familien mit Adoptiv- oder Pflegekind, Patchworkfamilien.